
Gisant de rue
Der Tod ist schlau. Er kommt nirgendwo her und überall hin. Er lässt sich wie Santa Claus, nur ohne Rentier, durch den Kamin plumpsen, wenn es ihm passt, die Bewohner eines Hauses, die gerade mit Gästen feiern, in eine grauenhafte Verwirrung zu stürzen, weil sie sich fragen: Hier ist Party, es geht hoch her, und nun Rauchschwaden, Funkenregen, Gasgestank, ein schauderhaftes Gerumpel und ein Klappern von Knochen! ER, ER in Person steht mitten unter uns, und wer - wer ist dran

Gigant
Steht da ein Wächter. Bewacht diese Mulde, diese Bäume, dieses Stück Himmel sogar. Lässt mich nicht vorbei. Weil ich Angst vor ihm habe. Weil die Waffe, die er geschultert hat, mich treffen könnte. Dabei ist er, so riesengroß er ist, auch so schwerfällig. Ich hinke zwar, aber ich hätte Möglichkeiten, an ihm vorbei zu kommen. Einfach ausweichen; nach links, nach rechts. Noch stehe ich ihm gegenüber. Sein Schnabelgesicht zeigt keine Regung. Doch sein Blick ruht unverwandt auf m

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Ja, es könnte gut sein, dass ich eine Bank bin – oder sonst ein Ort, wo sie dir Geld abknöpfen um den Preis, dir alles Mögliche zu versprechen. Tritt ein! Aber mach keine hässlichen Flecken auf meine Spiegelscheiben, indem du dir vorher daran die Nase platt drückst. Da könnte es sein, dass die Verriegelung einrastet und du ausgesperrt bleibst. Ja, du brauchst eine Bank, natürlich. Eine Bank verfügt über Geld, du leider nicht. Du bildest dir aber ein, dass du Geld brauchst. Dr

Moca Moca
Wir sind drei Tröpfe, drei fixe Köpfe, gespritzt an eine Wand, geknallt auf Beton. Genauer: an einen Brückenpfeiler. Über uns rollen Tag und Nacht Fortschritt und Wachstum. Wir zittern mit. Sieht nicht so Solidarität aus? Beim Pflegenotstand wollten sie uns nicht mehr behalten. Wir quasselten zu viel. Da waren wir aufgebracht und haben uns aufgemacht als Verschönerungskommando. Unsere Leiber hat der Notstand der Zunft der Comicfuzzis gespendet. Wir haben Profil, wir haben Sti

Wandel
Tagsüber wirkt der König eher friedlich. Fast harmlos. Wie umwölkt von fremden Schatten, von einer flüchtige Gloriole. Wach, erwartungsvoll, ungeduldig ist sein Blick, man könnte es für die Ungeduld eines Hundes halten, der unbedingt und ohne Verzug etwas apportieren möchte. Das wäre ein gewaltiger Irrtum. Spannung ist seinem Leib einbeschrieben. Eine rasche Krümmung des Rückgrats, ein Sprung, und jegliche Reaktion des Opfers käme zu spät. Wer überlegen ist, kann warten. Vie

Der Einsame
Gefangen in feinen Fäden, aufgehängt zwischen Verdickungen, die gelblich und grünlich aufblinken, so scheint er herauszublicken in unsere Verständnislosigkeit. Weggeschlüpft sind die Pupillen, wie von sich selbst verschluckt. In gleicher Weise verweigert sich der Mund. Wer ist er? Was will er? Was ist sein Geheimnis? Er ist nur ein Bild, wirst du einwenden. Eine irre Malerei, hingeworfen auf hellen, lieblichfarbigen Grund. Ein sanfter Narr. Verkniffen sieht er aus, würdest du

Nancy
Böse Jungs haben sie mit Kreidekrakeln sozusagen getauft. Mit dem Namen einer anderen Nancy, die verlacht und erniedrigt werden sollte. Andere haben mit ungeschickten Händen in der Inschrift auf dem Bauch der Neugetauften herumgewischt, vielleicht war es die richtige Nancy in Person. Aber der Name ist leserlich geblieben, denn Nancys Bauch wollte weiter Nancys Bauch sein. Die Fraktion der Auswischer, also der Verteidiger von Nancys Ehre, ist wohl massiv von der Partei der Sch

Balkonbratwurst
Nehmen Sie doch bitte an, es gebe einen Bewohner von N.N., der nicht nur gern grille, sondern ein fröhlicher, ja, ein leutseliger Griller sei und seinen Balkon nebst Grillgut der Allgemeinheit zur Verfügung stelle (evtl. gegen eine kleine Spende). Denn: wer grille schon gerne alleine? Der Griller befestige - mit behördlicher Genehmigung, wohlgemerkt - an geeigneten Orten Hinweisschilder, damit seine Menschenfreundlichkeit nicht nur auf den Geruchssinn vertrauen müsse (so dass