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einhorn insel der seligen

Wandel


Tagsüber wirkt der König eher friedlich. Fast harmlos. Wie umwölkt von fremden Schatten, von einer flüchtige Gloriole. Wach, erwartungsvoll, ungeduldig ist sein Blick, man könnte es für die Ungeduld eines Hundes halten, der unbedingt und ohne Verzug etwas apportieren möchte.

Das wäre ein gewaltiger Irrtum.

Spannung ist seinem Leib einbeschrieben. Eine rasche Krümmung des Rückgrats, ein Sprung, und jegliche Reaktion des Opfers käme zu spät.

Wer überlegen ist, kann warten. Vieles streicht und schleicht an ihm vorbei. Man ist König und nicht darauf angewiesen, das erste beste in seiner Reichweite zu wählen, um es zu töten.

Wer warten kann, von dem geht eine eigene Würde aus.

Manchmal scheint der König zu lächeln, als sei er erhaben über alles, was in sein Blickfeld gerät. Wer ihn fürchten muss, wird solche Anmaßung hinnehmen.

Der mächtige Körper liegt halb im Schatten. Er ist stark. Noch in der Tarnung kann er Furcht verbreiten. Doch auch er muss ernährt werden. Auch er wird vor Hunger schwach.

Vorerst geschieht nichts.

Im Dunkel ist gut Jagen. Die Beute hat sich minimal bewegt. Kopf und Körper des Jägers sind der Bewegung gefolgt. Eine wilde Lust ist in seine Augen getreten. Licht hat sie sichtbar gemacht. Das Licht hat auch die Beute aufgeschreckt.

Hat sich der Schatten des Jägers aufgemacht, den Fluchtweg abzuschneiden?

Noch immer sitzt der König, lauert. Doch jetzt zeigt sich seine wahre Natur. Begierde hat die Oberhand gewonnen. Gleich muss er springen, die Beute ist flink, sie kann, sie wird entkommen.

Der König stellt sich nicht mehr selbst zur Schau, er ist gänzlich Kreatur geworden. Er wird herabsteigen von seinem Thron.

Er muss töten, er will leben.

Wie seine Beute ihm entkommen muss, weil sie leben will.


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