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einhorn insel der seligen

Tänzer aus der Luft



Tanz! Wiege dich, spring, dreh dich! So bist du den Menschen ein Wohlgefallen. Denn wenn du dich nicht bewegst, fürchten sie dich. Wenigstens auf den ersten Blick.

Von weither kommst du. Auf diesem Gitter bist du gelandet. Was darunter liegt, das wollen wir beide lieber nicht wissen. Dort mag die schwärzeste Nacht sein und Heulen und Zähneknirschen, wir sehen davon ab. Lass ruhig deinen Schatten durch den Rost fallen, du brauchst ihn hier nicht. Du bist im Land des Lichts.

Du kommst aus einer anderen, höheren Welt. Du kannst fliegen. Kannst gleiten über unseren Ländern. Das schafft eine andere, eine bessere Urteilskraft.

Die Musik hast du mitgebracht. Deinen ganzen Körper, auch deine Flügel und deinen Schwanz bedecken klingende kleine Plättchen, die vibrieren und alle Töne der Welt erzeugen. Für die, die dich hören wollen.

Du kannst auf zwei Beinen stehen wie wir. Du kannst mit den beiden anderen Beinen, als wären es Arme oder Hände, das unsichtbare Orchester dirigieren, das Orchester, das du selbst bist.

Als Musik gewordenes Wesen hast du ein absolutes Gehör. Hammer, Amboss und Steigbügel sind Stimmgabeln geworden und vibrieren zum Klang der Schuppen, geben den Rhythmus.

Alles an dir ist hell, weiß und golden. Das nimmt jeden für dich ein, der nicht in einer ersten Anwandlung von Fremdheit davongestürzt ist.

Du hast Hörner wie Dionysos, der Gott der Begeisterung und des Rausches; wie Pan, der Waldgänger mit seiner Flöte. Beide erschrecken die Menschen, bevor sie ihnen Freude bringen.

Du hast Hörner wie der Teufel, diese traurige Figur, die im heißesten Höllenfeuer vor Kälte schlottert, die unter uns in der Finsternis hockt und uns neidisch zuhört. Der Teufel ist gefangen in seinem Verlies, aber insgeheim fürchten ihn alle.

Deine Hörner sind zart wie Zöpfe. Und doch wäre es falsch und gefährlich, auch nur in Gedanken zu dir zu sagen: Mach Männchen! Gib Pfötchen! Da wüchsen dir nadelspitze Klauen aus den Pfoten, und der Schwanz würde zur Peitsche.

Wer sich an dir freuen will, muss dir vertrauen. Und wer dir vertraut, setzt auf deine Stärke. Wortlos.

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