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einhorn insel der seligen

Ein Gnom



Ich will nicht einfach behaupten, ich sei ein Opfer der Gentechnik oder einer unvorschriftsmäßig verabreichten Impfung. Ich muss nur zugeben, ich bin von verwachsener Natur. Meinem Arm, so wuchtig er zuzuschlagen versteht, fehlt das Ende, die Hand. Im Rücken- und Schulterbereich bildeten sich bald nach der Geburt höckerähnliche Strukturen, was sich auf meine Gangart auswirkt, zumal mein Fuß eine kreisrunde Grundfläche besitzt.

Wenn ich allerdings, so wie jetzt, einfach dastehe wie ein Hindernis, an dem jedweder Weg zuende zu sein scheint, so habe ich den Eindruck gewonnen, dass ich trotz meiner geringen Größe als imposant wahrgenommen werde. Meine roter Überwurf trägt sichermaßgeblich dazu bei.

Keinem Menschen würde ich jedoch etwas antun, sondern müsste fliehen, würde er mich, trotz meiner menschenähnlichen Umrisse, für ein Ungeheuer halten und auf mich losgehen.

Ich schweige. Schweigen kann Arroganz bedeuten, aber auch Bescheidenheit.

Manche lassen sich ablenken durch die schwarze Kreatur hinter mir. Sie weigern sich, sie schlicht für meinen Schatten zu halten, dessen Zickzack-Ränder meinem Körper tatsächlich kaum entsprechen. Dabei wäre es so einfach, daran zu glauben.

Dieser mein angeblicher Schatten ist genauso harmlos wie ich. Von Zeit zu Zeit reißt er aus und irritiert, wem er begegnet.

Stolz bin ich auf meine Maske. Sie ist im Ansatz jener der Pestdoktoren nachempfunden. Für mich hat sie nichts Elefantöses und nichts Pinocchio-artiges. Ich bin ein großer Freund dieser Gesichtskleidung. Sie nimmt mir nichts weg. Was ist schon ein Gesicht gegen eine Maske? Natur steht gegen Kunst, kruder Naturalismus gegen subtile Abstraktion, vor allem aber geht es um die Kunst der Imagination, sich ein Gesicht hinter der Maske vorzustellen. Das beschäftigt.

Die Pestdoktoren hatten sich darüber hinaus etwas Besonderes ausgedacht. Das schnabelähnliche Teil schuf Raum zwischen den Köpfen, garantierte ein Minimum an heilsamer Distanz. Sprechen wir also nie mehr vom Finsteren Mittelalter!

Mein Beruf: Gnom. Viele haben vergessen, was das ist. Nun: wir sind das Gegenteil jener heute allseits beliebten Monster. Paracelsus hat uns als zierlich oder schmächtig beschrieben, aber es gibt auch Exemplare wie mich mit eckigem Körperformen, doch sind wir keine Fettwanste. Weil wir so klein sind (zwei Spannen hoch, präzisiert Paracelsus), werden wir oft mit den Zwergen verwechselt, obwohl deren Existenz nicht ausreichend bewiesen ist. Oder haben Sie schon einmal einen Zwerg gesehen - außer jene Zipfelmützler aus Ton oder Plastik in Gärten?

Innen koche ich - was schütteln Sie da den Kopf? - denn ich bestehe aus Feuer, aus reiner Energie. Wie der Planet, auf dem wir leben. Daher das viele Rot. Das glauben Sie nicht? Aber hallo und rette sich, wer kann, wenn ich explodiere.

War ein Scherz. Sagen wir so:

Ich husche hin und her zwischen Traum und Wachen, zwischen Einbildung und Wahrnehmung, erscheine und bin schon wieder fort. Mein Auge erblüht zur Blume oder schwirrt als fliegendes Kerbtier vorüber.

Wäre ich ein Gemälde, so hätte ich keinen Titel.

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