
Wie lange geht er schon? Einen halben Tag? Ein halbes Leben? Noch besitzt er Energie. Exakt setzt er einen Fuß vor den anderen, rollt die Sohle geschmeidig ab.
Er hat ein Ziel.
Der Kopf ist gesenkt. Er blickt nicht vorwärts. Er blickt nicht auf den Boden. Den Weg finden die Füße allein.
Die Schultern hochgezogen, die Arme dem Oberkörper anliegend, den Kopf gesenkt: höchstmögliche Ballung der Kraft. Als hätten wir es mit einem Rammbock zu tun, der etwas umwerfen möchte, was ihm im Weg steht.
Oder ist es vielmehr so, dass die Arme nicht schwingen, um Kraft zu sparen? Gerät er bald außer Atem? Weiß er bereits, dass er sein Ziel niemals wird erreichen können?
Es gibt kein Ziel.
Sein Blick geht zur Seite. Richtet er sich auf den berühmten Bogen, vorgelagert jener Steilküste? Misst er seine Erdenschwere an der Eleganz des Naturdenkmals?
Er leidet.
Es scheint, als wende er den Kopf zur Seite aus Unbehagen, aus Überdruss. Sein Marschieren bewegt nämlich ein Rad ohne Speichen. Eines wie jene Räder, die, unseren Hamsterrädern gleich, mit Menschenkraft schwere Lasten in die obersten Teile einer Baustelle bewegten. Wie beim Bau der großen Kathedralen, an die der Mann denken muss, wenn er das Felsengewölbe und die Felsenfiale betrachtet.
Nein, da ist kein Ziel.
Was im Kopf pocht und hämmert, ist einzig die Aussicht auf eine Pause, der Gedanke an den Feierabend und die Ablösung. Stellte diese sich nicht ein, müsste er weitermachen. Der Ausschreitende ist ein Sträfling, er leistet Zwangsarbeit.
Die bischöfliche Justiz freut sich über jeden Delinquenten. Könnten die Häscher keine Verbrecher dingfest machen, würden sie selbst früher oder später zu diesem Frondienst eingeteilt, der, und das ist allerdings ein starker Trost, zur größeren Ehre Gottes geschieht.
(Foto: Max Mayr, Weggis)