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einhorn insel der seligen

Arabeske




Die Mauern sind alt, doch die Ziegel halten noch Stand. Der Verputz bröckelt. Gegenüber hat sich hinter Trennwänden eine Baustelle etabliert, die blanke Hässlichkeit.

Dagegen kämpfen zwei flüchtige Figuren an, Tänzerinnen nach einer unhörbaren Musik die sich mitten im Lärm der Bauarbeiten zu behaupten scheint. Die kleinere Tänzerin ist in das öde Grau der Verschalung geritzt und gekratzt, die größere ist in Schwüngen eines Stifts flüchtig hingeworfen. Über ihr steht wie eine Sonne der Schatten einer Laterne. Er berührt sie, als übertrüge er mit der Berührung eine unsichtbare Kraft, die es ermöglichte, weiter zu tanzen, warum nicht bis in alle Ewigkeit wechselnde Schleifen und Spiralen zu drehen, sinnloser Beschäftigung zum Trotz?

Die kleinere Tänzerin trägt eine Maske mit Tierohren, wie zum Karneval, und schwingt das Tanzbein mit klackendem Schuh.

Zusammen sind sie stark und - wie José Luis Borges in seinem Gedicht Die Gerechten schreibt - sind sie nicht ohne Einfluss:


Jemand, der seinen Garten bestellt, wie Voltaire es gewollt hat,

wer dankbar ist, dass es Musik gibt auf Erden,

der Keramiker, der sich eine Farbe und eine Form ausdenkt,

der Drucker, der diese Seite, die ihm vielleicht nicht gefällt, richtig setzt,

wer ein schlafendes Tier streichelt,

wer Böses, das ihm angetan wurde, rechtfertigt oder rechtfertigen möchte,

wer dankbar ist, dass Stevenson gelebt hat,

wer es lieber sieht, wenn die anderen recht haben,

all diese Leute, die sich nicht kennen, retten gerade die Welt.


In einer Welt von Hässlichkeit sind wir auf jeden noch so bescheidenen Versuch angewiesen, mit Darstellungen, Gestaltung, Bildern und Sinn gegenzusteuern. Denn Hässlichkeit erzeugt Hass.


(Foto: Andreas Chwatal)

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