
Die Tore öffnen sich vor dir, sie schwingen zurück. Keine Angel wird laut. Kannst du dir eine schönere Einladung vorstellen? Es fehlte nur, dass dazu Vögel zwitscherten.
Drinnen schwarze Nacht. Das Licht, das du endlich erreicht hast, muss draußen bleiben. Will es nicht hinein? Nur nahe der Tore tastet es sich ein Stück weit vor, kriecht am Boden, bis es in der Schwärze versinkt und verschwunden ist.
Willst du nicht hinein?
Die Helle tut dir so wohl.
Denn du bist hierhergekommen aus dem gleichfalls Dunklen und kannst nicht genug kriegen von dem strahlenden Weiß der Gatter und Tore.
Du hast dich im Grau eines der zerfließenden Schatten niedergelassen. Die Erscheinung nimmt dich gefangen.
Warum zögerst du einzutreten? Die beiden Tore haben sich nicht auf gleiche Weise geöffnet. Führen sie nicht in dieselbe Zone?
Dies ist eine Grenze, kein Zweifel. Unbeschildert, unbewacht. Nur hell, nichts als hell.
Um die Grenze zu überschreiten, müsstest du nicht einmal eines der Tore passieren. Du könntest einfach über den Zaun steigen, bräuchtest weder klettern noch springen. Kein Stacheldraht, keine Minen, keine Selbstschussanlagen. Wären jedoch im Dunkel unsichtbar Batterien von Maschinengewehren aufgestellt, sie hätten freies Schussfeld.
Vom Kugelhagel wäre dabei aber auch dieses filigrane Grenzgebilde betroffen.
Das kann nicht sein.
Und warum solltest du dort drüben nicht willkommen sein?
Klar: es gab tausend Gründe, fortzugehen und nicht umzukehren. Du hast nichts bei dir, du hast nichts zu bieten. Aber du hast auch nichts zu verlieren.
Eine Zeitlang wird es sicher gut sein, hier zu verweilen und den wunderlichen Grenzzaun zu betrachten, das Zusammenspiel verschiedener geometrischer Formen in langsamer Bewegung zu bewundern: Rechteck, Dreieck, Trapez.
Jenseits der Tore muss kein neues Land und keine fremde Sprache sein. Warum nicht ein weitläufiges Besitztum, ein Gut, der Park eines Schlosses, eine Ranch. Dazu gehört eine Meute Hunde, die nachts frei laufen und sich auf Eindringlinge stürzen, sie zerfleischen, nicht wahr?.
Das Weiß des Zauns strahlt unbefleckt. Keine Spuren von Blut (auf deiner Seite).
Was tun? Warten? Worauf?
Du versuchst, dich zu erinnern: Wie hast du dich im Dunkel orientiert, dass du hier angelangt bist? Kein Gedanke daran ist geblieben. Aber du hockst hier, auf dem Boden, es ist dir nichts geschehen. Dann wird dich, was du dort nicht siehst, nicht schrecken, es ist dasselbe Dunkel. Und davor diese leise sich bewegende Lichtfigur.
Du kauerst auf der Erde in der verdämmernden Geometrie von Grau. Die Schatten jenseits der Tore sind schärfer geschnitten. Hüben Schatten, drüben Schatten.Woher kommt so viel Licht? Beinahe blendet es.
Wirst du jetzt aufstehn und Schatten werfen? Bis euch das Dunkel verschluckt.