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einhorn insel der seligen

Fenstertheater


Eine gespaltene Zunge ist ein schlechtes Omen. Man denke nur an die olle Paradiesgeschichte. Der Ritter hält Distanz. Er ist ausgezogen, um die Welt zu retten, und die Welt beginnt bei ihm selbst. Nicht dass er feige wäre. Feigheit kann sich ein rechter Ritter nicht leisten. Was würde seine herrliche Gilda sagen, was all die anderen höheren Wesen, die er zu beschützen hat! Aber, klar: wer siegen will, muss zunächst überleben, muss einen Schlag, einen Stich, einen Biss, ein Gewicht, das ihn niederdrückt, was auch immer, vermeiden. Gleichzeitig liegt in der ritterlichen Geste etwas Tänzerisches. Auch ein Gepanzerter kann elegant sein, die ewigen Gesetze der Ästhetik weiter tragen und Auge und Geist erfreuen.  Ja, wenn das Reden etwas hülfe gegen das Böse, der Ritter wäre dafür gewappnet. Beweis: seine viel beachteten Oden und Epigramme an Gilda, seine Dame, von der zu schweigen wir gehalten sind. An solch düsteren Geschöpfen wie seinem Gegenüber prallte jedoch die raffinierteste Rhetorik ab.  Seinen Gegner kann er noch nicht ins Auge fassen. Er blickt auf eine schwarze Wand auf einem flachen Sockel mit mindestens einer Öffnung, einem Maul, vermuteten wir, durch das sich besagte Zunge schiebt. Sie wippt auf und ab. Ihre Kampfmethode ist dem Ritter noch nicht klar. Es könnte sein, dass sich die beiden Spitzen um seinen Hals legen wollten, um ihn zu würgen und schließlich zu erdrosseln. Oder dass beide zielgenau Gift spritzten. Und wenn diese seltsame Bewegung nur ein Ablenkungsmanöver wäre? Wenn diese Gestalt – für das Unsichtbare fehlen leider treffendere Worte – mit einem einzigen Ruck herausbräche aus ihrem Unterschlupf, die Hülle mitrisse, ihn zersprengte? Kokett dreht der Ritter die nach vorne gestreckte Hand.  Eine Geste der Lässigkeit. Den Gegner verwirren, irritieren – eine vielversprechende Strategie, wenn man keine Waffe trägt, sattsam bekannt aus hundert Tatorten. Oder hält er sie etwa versteckt hinter dem Rücken, wie ein Taschenspieler, der sein Publikum verblüffen will?  Wir alle werden nicht als Ritter geboren, wollen als Kinder vielleicht das heldische Fach bespielen, und in bewaffneter Brüderlichkeit uns jeder Herausforderung durch das Böse stellen - meist nur eine sehr begrenzte Zeit lang.  Leider. Denn dann siegen die Trägheit der Gewohnheit und die Selbstverständlichkeit der Wiederholung über Phantasie und Traum. Wir nehmen wahr, dass Rüstungen rosten, dass Waffen stumpf werden, dass die Kräfte rasch und rascher schwinden. Und was würde sich uns da entgegenstellen?  Verlassen wir lieber den Kampfplatz, den Tanzplatz. Es ist ja alles nur Schein, nur Schall und Rauch, ein Stück Vorhang in der Abendsonne!

Eine gespaltene Zunge ist ein schlechtes Omen. Man denke nur an die olle Paradiesgeschichte.

Der Ritter hält Distanz. Er ist ausgezogen, um die Welt zu retten, und die Welt beginnt bei ihm selbst. Nicht dass er feige wäre. Feigheit kann sich ein rechter Ritter nicht leisten. Was würde seine herrliche Gilda sagen, was all die anderen höheren Wesen, die er zu beschützen hat! Aber, klar: wer siegen will, muss zunächst überleben, muss einen Schlag, einen Stich, einen Biss, ein Gewicht, das ihn niederdrückt, was auch immer, vermeiden.

Gleichzeitig liegt in der ritterlichen Geste etwas Tänzerisches. Auch ein Gepanzerter kann elegant sein, die ewigen Gesetze der Ästhetik weiter tragen und Auge und Geist erfreuen.

Ja, wenn das Reden etwas hülfe gegen das Böse, der Ritter wäre dafür gewappnet. Beweis: seine viel beachteten Oden und Epigramme an Gilda, seine Dame, von der zu schweigen wir gehalten sind. An solch düsteren Geschöpfen wie seinem Gegenüber prallte jedoch die raffinierteste Rhetorik ab.

Seinen Gegner kann er noch nicht ins Auge fassen. Er blickt auf eine schwarze Wand auf einem flachen Sockel mit mindestens einer Öffnung, einem Maul, vermuteten wir, durch das sich besagte Zunge schiebt. Sie wippt auf und ab. Ihre Kampfmethode ist dem Ritter noch nicht klar. Es könnte sein, dass sich die beiden Spitzen um seinen Hals legen wollten, um ihn zu würgen und schließlich zu erdrosseln. Oder dass beide zielgenau Gift spritzten.

Und wenn diese seltsame Bewegung nur ein Ablenkungsmanöver wäre? Wenn diese Gestalt – für das Unsichtbare fehlen leider treffendere Worte – mit einem einzigen Ruck herausbräche aus ihrem Unterschlupf, die Hülle mitrisse, ihn zersprengte?

Kokett dreht der Ritter die nach vorne gestreckte Hand. Eine Geste der Lässigkeit. Den Gegner verwirren, irritieren – eine vielversprechende Strategie, wenn man keine Waffe trägt, sattsam bekannt aus hundert Tatorten. Oder hält er sie etwa versteckt hinter dem Rücken, wie ein Taschenspieler, der sein Publikum verblüffen will?

Wir alle werden nicht als Ritter geboren, wollen als Kinder vielleicht das heldische Fach bespielen, und in bewaffneter Brüderlichkeit uns jeder Herausforderung durch das Böse stellen - meist nur eine sehr begrenzte Zeit lang.

Leider.

Denn dann siegen die Trägheit der Gewohnheit und die Selbstverständlichkeit der Wiederholung über Phantasie und Traum. Wir nehmen wahr, dass Rüstungen rosten, dass Waffen stumpf werden, dass die Kräfte rasch und rascher schwinden. Und was würde sich uns da entgegenstellen?

Verlassen wir lieber den Kampfplatz, den Tanzplatz. Es ist ja alles nur Schein, nur Schall und Rauch, ein Stück Vorhang in der Abendsonne!

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