Im Grabstein spiegeln sich die Stämme des Waldes. Im Grab liegt ein Jäger und jagt nicht mehr.
Der Jäger hat am liebsten Hirsche erlegt. Soundsovielender. Alles andere war ihm zu gewöhnlich. Einen Hirschen aber, dem ein Kreuz aufwuchs aus dem Hirn, hat er sicher nicht erbeutet. Auf seinem Grabstein darf er einen solchen Kreuzhirschen wenigstens in die Ewigkeit mitnehmen.
Ein Hirsch mit einem Kreuz, der soll den heiligen Hubertus bekehrt haben. Und zwar mitten im Wald, der damals noch ein Urwald war. Also zwischen Bär, Luchs und Wolf ragte auf einmal dieser Hirsch aus dem unverdächtigen Waldboden, ein Hirsch, aus dem seinerseits ein Kruzifix himmelwärts ragte. Und Hubertus warf den Hirschfänger weg, stieß den Spieß ins Moos (Gewehre gab es noch nicht), fiel nieder und versank sogleich in Trance und Meditation. Die wilden Tiere mochten ihm nichts anhaben, schmollten und waren verschwunden, als er die Augen wieder aufschlug. Den Hirschen aber hörte er röhren. Er folgte dem hochzeitlichen Tiergesang und fand eine Stelle mit fünfzig unwurmigen, prachtvollen Steinpilzen. So wurde der Pirscher zum Vegetarier.
Jener Hubert war Pfalzgraf unter Pippin dem Mittleren und tötete leidenschaftlich essbare Tiere. Stets für seine liebe Frau, die die besten Stücke bekam. Als sie starb, wurde er Einsiedler in den Ardennen und begegnete dem bewussten Hirsch, der ihm die Jagd ein für alle Mal verleidete. Er fing stattdessen an zu missionieren, was verdienstvoll war und weitaus gefährlicher als die Jagd, denn die Ardennen liegen nicht weit von den heidnischen Territorien der wilden Sachsen und der grimmigen Friesen. Die wütenden Invasionen der Muslime im südlichen Frankenreich hat er nicht erlebt. Mit Kreuz, Spieß und Hirschfänger hätte er sonst gekämpft und bei der Vertreibung der Ungläubigen geholfen.
Das ist nur der eine Teil der Geschichte. Der zweite eigentlich.
Den Hirschen mit dem Kreuz sah nämlich Trajans Feldherr Eustachius (oder Eustathius) mitten in den balkanischen Wäldern gute sechshundert Jahre früher, als der Imperator fast die ganze Welt eroberte. Eustachius fiel beim Anblick des stattlichen Tiers mit dem Kopfkreuz augenblicklich vom Pferd und schrammte stürzend einen Baumstamm, so dass die Rinde seinen Fall etwas bremste und er sich nicht das Genick brach. Er hörte kein Röhren, sondern eine himmlische Stimme, die ihn darüber aufklärte, wer der Herr des Himmels und der Erde sei. Trajan sei es jedenfalls nicht.
Was blieb ihm übrig, als den Dienst zu quittieren und sich taufen zu lassen? Zum Dank warteten noch mehrere schwere Prüfungen auf ihn und seine Familie, die Hiob und Jonas beschämt hätten. Eustachius bestand sie alle. Zuletzt fand er im Kolosseum den Tod. Nicht durch Löwen oder Panther. Die leckten ihm liebevoll die Zehen.
Ursprünglich hieß er Placidus. So wie Paulus zuvor Saulus geheißen haben soll.
Damit Eustachius und Hubert sich im Himmel vertrügen, wurde die Kirche angewiesen, beide in den Club der Vierzehn Nothelfer aufzunehmen.
Nun ruhet in Frieden, ihr alle!