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einhorn insel der seligen

Retourkutsche


Klein Fritzchen hält eine Sitzung auf seinem pot de chambre ab, der genauso heißt wie der Präsident. Es muss sein, mütterliches Machtwort. Dies, obwohl er nicht kann und auch gar nicht muss. Keine Ausscheidungsnachweise seit geraumer Zeit – das beunruhigt die Mutter. Inständig hofft sie auf Erfolg. Der Arzt hat zwar Meteorismus diagnostiziert, jedoch keine Methode empfohlen, dem Übel der Darmträgheit abzuhelfen. Außer Geduld und fleißigem Lüften. Es werde sich geben, wenn Fritzchen, so merkte der Medicus scherzhaft an, entweder Papst oder Präsident geworden sei.

Was für ein Knallkopf! sagt sich die fürsorgliche Mutter vor, aber leise, ganz leise. Fritzchen bringt sowieso die tollsten Flüche vom Kindergarten heim.

Also noch ein Versuch.

Fritzchen hat noch kein Zeitgefühl und bemerkt, so viel er auch turnt und hopst, den Ballast in seinen Gedärmen nicht. Er hat sich ein x-beliebiges Buch geschnappt – nicht um darin zu lesen, das kann er noch nicht. Er hat sich auch nicht vergewissert, ob genug Klopapier in Reichweite liegt, im Falle eines Falles könnten die Blätter als Ersatz dienen. Nein, er will einfach spielen, zum Beispiel so tun, als ob er läse. Meistens beschränkt sich das auf kraftvolles Blättern, begleitet von Gebrummel, denn er hat bemerkt, dass Lesen bei Erwachsenen Gefühle weckt, die sich in verschiedene leise Lautäußerungen verwandeln.

Es klingelt. Der Kukluxklan hat auf seiner Jagd nach regierungskritischen Umtrieben einen Serien-Verkauf von Nachttöpfen ermittelt, die den Namen des Präsidenten tragen. Dass die Mutter abwinkt, hindert die drei Vermummten nicht daran einzutreten. Sie wird grob weggeschubst.

Dass Fritzchen gerade nach ihr gerufen hat, beschleunigt den Schritt der Sittenwächter.

Fritzchen hat seinen Popo mit einem Ruck vom Nachttopf losgemacht und starrt hinein. Er ist ein guter Junge, er würde gerne einen Erfolg vermelden, schon um von der ungeliebten Sitzung wegzukommen. Das Buch ist schrecklich langweilig, es schmückt sich mit keinerlei Abbildungen. Er hat es weggeworfen.

Als zwei der Eindringlinge die Kinderzimmertür öffnen (der dritte Mann stellt die restliche Wohnung auf den Kopf), hat ihnen Fritzchen arglos seinen Popo zugekehrt.

Die dicke Luft im Zimmer durchdringt nur langsam die Vermummung, so dass sie sofort den Nachttopf an sich reißen und den präsidentiellen Namen entdecken.

Du scheißt also auf den Präsidenten? So beginnt das sofortige Verhör. Die Mutter ist ihnen gefolgt. Jetzt stöhnt sie auf und schlägt die Hände vors Gesicht.

Ich hab Me-la-nis-mus! sagt Fritzchen, stolz, dass er sich das schwierige Wort gemerkt hat, während die Kukluxklaner zusammenzucken und sich zunicken. Ich gase bloß. Das ging schon sehr gut heute, aber das ist der Mama zu wenig. Der Nachttopf ist übrigens nagelneu. Den dürfen sie nicht kaputt machen. Die Mama hat gesagt, dass da was Wichtiges draufsteht.

Aha! brüllt der erste Verhörer triumphierend.

Wir sind eine absolut präsidententreue altamerikanische Familie, schaltet sich die Mutter ein. Wir wollen einfach überall des Präsidenten Namen lesen. Und der Nachttopf ist ein Prunkstück. Er steht normalerweise in der Vitrine mit den Sportpokalen. Fritzchen hat ihn statt seines eigenen genommen. Zum Spielen.

Es ist nichts drin! ergänzt Fritzchen. Nichts Geschissenes! Er will die Mama heraushauen.

Es ist ein Geschenk unseres Untermieters, fügt die Mutter hinzu. Leider ist er gerade auf Urlaub.

Wo denn? brüllt der zweite Verhörer.

Fritzchen schaltet sich erneut ein: Auf Cu-ba! Das war ein leicht zu merkendes Wort. Er versteht nicht, dass seine Mama schon wieder die Hände über dem Kopf zusammenschlägt.

Der zweite Verhörer lacht satanisch. Kluger Bursche! sagt er. Du kommst mit.

Weißt du überhaupt, wer Donald Trump ist? Der erste Verhörer will noch eine Falle stellen.

Der Trump ist ein verschissener Haderlump! Fritzchen spricht beide Wörter nach deutscher Art aus, gereimt. Ein Schwindler und ein Sündler, Betrügner und ein Lügner. Er sagt die Kindergartenverse auf wie das Vaterunser. Die Mutter wird puterrot und stammelt: Das hat er vom Kindergarten. Er versteht gar nicht, was er redet.

Dieser Knirps ist ein gefährlicher Ausländer! Wo, verdammt, ist Goofy? Goofy! Ende der Durchsuchung! Geh sofort rüber in den Kindergarten! Und du, Billyboy, befragst den Pastor nebenan. Ab mit euch! Was für ein Gesindel! Der Oberverhörer ist außer sich.

Die im Raum zirkulierenden Gase sind inzwischen unter der Vermummung gedrungenund setzen dem Mann drastisch zu. Er sinkt auf einen Kinderstuhl, der unter ihm zusammenbricht.

Mit letzter Kraft macht die Mutter einen Satz, greift sich den Nachttopf und knallt ihn dem Oberverhörer auf den Schädel. Knallkopf! stößt sie hervor, krallt sich den Jungen und einen heimlich bereit gestellten Koffer und rennt aus der Wohnung.

Als Goofy und Billyboy zurück sind (sie mussten die inzwischen versperrte Tür aufbrechen) und es ihnen gelingt, ihren Oberscharführer Mickey wieder zu Bewusstsein zu bringen, stammelt der:

Fuck, man kann sie doch nicht alle umbringen! Viel leichter und viel sauberer wär‘s. Aber wir brauchen Bauarbeiter für die Mauer im Süden und neue Gefängnisse, Kanonenfutter gegen die asiatischen Fanatiker. Er grabscht nach dem Buch. Und all diese Bücher müssen ins Feuer! Alle!

Er fängt an, als hätte er es sich von Fritzchen abgeschaut, Blätter aus dem Buch herauszureißen, schrickt aber plötzlich zusammen. Billyboy und Goofy, die versucht haben, das zersplitterte Beweisstück wieder zusammenzusetzen, schauen ihm über die Schulter. Pechvogel Mickey zerfleddert gerade ein bedeutendes Werk seines Präsidenten: Think Big and Kick Ass - In Business and Life. Harper, 2007, du Knallkopf! Goofy kann Titel und Verlag auswendig hersagen. Sie haben es ihm eingebläut beim letzten Lehrgang.

Mickey blickt ihn entsetzt über die Schulter an. Kraftlos dreht er den Kopf zurück und starrt auf die eben herausgerissene Seite. Auf ihr beginnt das Kapitel Vom Nutzen des shitstorms in der Politik.


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