
Weißt du, Weib, was ein Schwurfinger ist? Sieh ihn dir an. Und sieh mich an! Jetzt schau wieder hinunter auf unser Volk, unsere Untertanen! Den Kopf nicht so ruckartig drehen! Du bist keine Holzpuppe, du bist die Königin, also die Angetraute deines Königs! Das Amt verlangt Würde.
Worauf ich schwöre, das bezieht natürlich auch dich ein. Aber der Inhalt meines Schwurs kann dir gleichgültig sein. Du verstehst kein Latein, das ist auch nicht nötig. Du hast nur meinem königlichen Wort zu gehorchen.
Wir blicken hinunter zu den vielen Gaffern. Sie sollen die Vorstellung gewinnen, dass auch sie Teil der Zeremonie, Teil eines großen Ganzen sind, und sie sollen beeindruckt sein. Dies vor allem. Das gibt ihnen die Kraft, die sie brauchen für Feld- und Fronarbeit.
Jetzt lege die Hände zusammen, ja, die Handflächen. Öffentlich beten ist gut fürs Renommee. Noch wichtiger ist nur das Kinderkriegen, will sagen: Jungs. Die zählen. Spätestens nach dem dritten Mädchen lass ich mich scheiden.
So wie du jetzt guckst, das ist gut. Mit Gleichmut, aequo animo, nur keine Erregung zeigen, auch wenn du sehr erregt bist.
Jetzt bin eher ich erregt. Nicht wegen des Schwurs, sondern wegen dieses Bischofleins, das da direkt vor uns kniet. Heribert von Köln. Eine Frechheit! Sicher, seine Stimme gab den Ausschlag zu meiner Wahl, unter den sechs anderen stand es drei zu drei. Jetzt glaubt er, dass er mich erpressen kann und rückt mir auf die Pelle. Alle sehen es.
Ein Schlag mit dem Reichsapfel würde ihm den Schädel spalten. Das Ding ist schwer und hat schneidende Kanten. Es vibriert förmlich in meiner Hand. Dieses fiese Schwein hätte es verdient. Schon vor dem Beginn der Wahl hat er dick und fett kassiert.
Vielleicht ergibt sich später eine Gelegenheit, ihn loszuwerden. Jetzt während der Zeremonie geht es schlecht.
Jetzt lächelst du mich an. Ihr Luxemburger haltet euch für etwas Besonderes, weil ihr glaubt, aus der Mitte des christlichen Abendlands zu kommen. Aber mit uns Liudolfingern könnt ihr es doch nicht aufnehmen.
…
König Heinrich II, bald Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, täuschte sich in mehrfacher Hinsicht.
A) Kunigunde konnte ausgezeichnet Latein - und außerdem noch viel mehr; nach seinem Tod übernahm sie ohne Probleme die Reichsregierung.
B) Kunigunde hatte kein Verlangen, Kinder zu gebären. Beflissen machte sie der Klerus post festum zu einer Heldin christlicher Keuschheit.