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einhorn insel der seligen

Dienen


Er stemmt einen Stab, der ihn beinah überragt. Er trägt am Gelenk einen Schlüssel.

Jedoch: er liegt. Nein: Er fliegt. Er bedarf keiner Flügel. Abstruser Gedanke! Er kriecht vielmehr am Boden wie ein Wurm.

Er dient. Wem auch immer. Hat eine Waffe. Hat Schlüsselgewalt.

Die Tonsur! Es ist ein Mönch. Der Bruder Pförtner. Mit der Eisenstange droht er der Satansbrut, die sich einnisten will hinter den Klostermauern, in extremo schlägt er sie tot. Er fasst seine Stange wie einen Wanderstab, doch er schwingt sie wie eine Lanze. Den Schlüssel führt er wie einen Morgenstern.

Mit dem Schlüssel sperrt und öffnet er gewöhnlich, was das Kloster nicht einmal seinen eigenen Mönchen preisgeben will.

Darf das nicht nur der Abt?

Es denken, erwägen, beschließen, befehlen – Sache des Abts. Es auszuführen braucht es Diener.

Diener müssen verschwiegen sein. Eindringlinge müssen sie ertappen und festsetzen, notfalls vom Leben zum Tode bringen. Dazu müssen sie im Staub robben und über Zäune setzen. An ihnen hängt alles.

Ohne Diener ist ein Mächtiger nur aufgedunsene Haut und klappernde Knochen. Er braucht eingeschworene Helfershelfer, Erfüllungsgehilfen, die den Kopf hinhalten und die schmutzige Arbeit erledigen. Mit oder ohne Tonsur.

Ein Diener hat seine Seele darob nicht abgegeben. Doch der Herr hat ihm die seinige übergestülpt. So wie ein stinkender Socken einen Fuß bekleidet.

Auch seinen Verstand durfte er behalten. Er muss sich auf ihn verlassen können in all seinen Heldentaten und Bubenstücken. Der in seinem Leibchen wohlverborgene Lesestein aus Beryll ermöglicht es ihm, den Blick beliebig zu schärfen - in die Nähe wie in die Ferne, nach Maßgabe der Befehle, die er auszuführen hat.

Diese Kostbarkeit macht ihn seinen Mitmenschen weit überlegen. Ginge er ihrer verlustig, fände er sich auf einem Kehrichthaufen wieder, blau geprügelt und nackt.

Denn die Herren üben keine Verzeihung.

Dennoch ist der Beruf des Dieners begehrt, Würde wird ihm angedichtet.

Das macht den Herren wie ihren Dienern großes Behagen.


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