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einhorn insel der seligen

X 1860


Das hier hieß einmal Florians Mühl. Da steht auch was. Siehste? Kannstes lesen?

Nee. Ohne Jläser keene Schangse.

Wie viele haben die Inschrift gelesen? Die Kinder bestimmt nicht. Sie hielten den abgezählten Betrag, den ihnen die Mutter fest in die Hand gedrückt hatte, bereit und stürmten die Liegewiese. Die lesen konnten, wollten es nicht lesen. Paragraphen, Gebote, Verbote vor allem. In der Freizeit! Das glaubste nicht! Die Pförtner mussten konsequent durchgreifen. Manchmal brüllten sie. Manchmal verfolgten sie jemanden. Ihr dicker Bauch verschaffte den flüchtigen Übeltätern einen Vorsprung, der in der Regel ausreichte. Denn der erzürnte Pförtner durfte den Eingang der Badeanstalt nicht aus den Augen lassen, die Schummler und Schwindler warteten nur darauf, ihn um den Eintrittspreis zu prellen. Der geschwind zurückgekehrte Wächter schimpfte noch eine Zeit vor sich hin, ließ sich bedeutend auf seinen Stuhl fallen und genehmigte sich aus seiner Flasche einen Schluck Bier, während er die Eintritt Heischenden, Muss verschnaufen, Sakra! brummelnd, warten ließ.

Dann schloss das Bad eines Tages. Man wusste es lange vorher. Es warf nicht recht viel ab. Die Gäste nahmen es hin. Auf einmal stand das Hüttchen im Abseits. Hinter dem Bach, der es mit Wasser gespeist hatte, beginnt schon der Auwald, der bis zum großen Fluss geht.

Es schlug die Stunde der Künstler. Sie hatten es nicht leicht. Farbe stand ihnen nicht zur Verfügung oder sie widersprach ihrem kreativen Konzept. Kreide ist praktisch, passt in jede Hosentasche, ist aber, einmal in Graphie verwandelt, äußerst kurzlebig. Das Blech vor dem Verkaufs- und Kassenfenster, das in seiner abweisenden Verschlossenheit dem ganzen Ensemble seine eigenwillige Farbnote aufnötigt, konnte auch mit Stiften gestaltet werden.

Die Struktur dieses Fenster-Werks gestaltete sich eigenwillig, ein Schwebezustand zwischen Schärfe (die beiden Federbälle, die an Kafkas Blumfeld-Text gemahnen) und Unschärfe im unteren Bildteil mit einem vereinsamten, vielleicht verirrten Ausrufezeichen, in anderen Worten zwischen Strenge und Laissez-faire hat sich eingestellt. Lo, der Titel des Werks, oszilliert zwischen einer Anspielung auf Marguerite Duras‘ Oeuvre und einer gänzlich gegensätzlichen auf Max Ernsts so selten flügelschlagenden Vogel Loplop.

Letztlich hatten die Künstler keine Möglichkeit, sich befriedigend einzubringen. Warum?

Kunst schlägt manchmal Politik, Soziales, Wirtschaft et cetera.

Aber niemals wird sich Kunst behaupten gegen Fußball!

Das Logo der Sehnsuchtsmannschaft einer halben Stadt schwebt hoch über der verblassenden Kunst und veredelt das verkommene Hüttchen, als wäre es der Geist über den Wassern.


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