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einhorn insel der seligen

Sprachlos


Nur Lallen und Stottern, anfangs. Tierische Signale. Doch andere, weitere, stärkere Gedanken kreiseln, brodeln im wachsenden Hirn. Ausdruck: nicht verfügbar, Stimme: nicht vorhanden, Lippen, Zähne und Gaumen: nur zur Nahrungsaufnahme bereit.

Das ändert sich.

Es ist die Zeit des Winkens und Deutens. Gesichter werden zu lieblichen Landschaften, zu Fratzen und Grimassen. Der Kundschafter kehrt zurück. Jenseits des Berges hat er etwas ausgespäht. Wie gibt er zu verstehen, was er sah: reiche Beute oder tödliche Gefahr?

Es folgt die Zeit der Zeichen. Wiederholungen müssen behalten werden. Hat der Bote die Augen bedeckt, wenn er von Gefahren spricht, rauft er sich das Haar, wenn diese das Leben bedrohen, wird er es bei nächster Gelegenheit genauso machen.

Wenn alle, er und sein Clan, bis dahin überlebt haben.

Stumme Sprache der Zeichen. Mühsam übermittelter, kaum gesicherter Sinn.

Doch Entdeckungen ergeben sich: Zeichen können in Stein geritzt, in Sand oder Schlamm gegraben werden, ephemer oder dauerhaft. Die animalischen Laute sind dehnbar, veränderbar in der Höhe, in der Stärke. Man kann sie passend finden zu diesem oder jenem Zeichen. Ohr und Auge, Klang und Geste tun sich zusammen.

Es wird nicht lange gedauert haben, bis Religion und Politik versuchten, diese Koppelung, diese Anfänge von Sprache, zu vereinnahmen.

Der Schamane spricht einzelne Symbole heilig, alle werfen sich vor ihnen nieder.

Der Führer der Horde lässt seine beanspruchte Macht durch sie vertreten. Er gibt sich einen Namen, den die Horde beharrlich zu wiederholen hat. Für sie bedeutet er: Unterwerfung unter die Ordnung, die der Führer verkörpert (und sie immer neu beweist, indem er sie gewaltsam durchsetzt).

So ist es bis heute geblieben. Mögen sich auch Sprachen und Zeichen gewandelt haben, wie die Formen von Gewalt.


Der Sinn vieler Zeichen ist vergessen, man entdeckt sie, man rätselt:


Dreieck (Herz?) und Rechteck?

Kraut und Rüben?

Holz und Kohlen?

Männer und Frauen?


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