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einhorn insel der seligen

Sankt Anna im Lehel


Hier rastete der Rastlose. Ungern hatte er die Sonnenbrille abgenommen, aber er empfand, dass es düster war im Raum. Hier musste er nicht unbedingt etwas Bestimmtes sehen, fixieren und sofort taxieren wie draußen, hier brauchte er die stumme Sprache der Augen nicht der Vorsicht halber verhehlen.

Er betrachtete den Aufdruck auf den Büchern, der sich mit ihnen scheinbar wiederholte bis in alle Ewigkeit. Warum kniete hier niemand? So viele teure Bücher für keine, für keinen, die drin gelesen hätten, die daraus halb vergessene Gebete hermurmelten, die sich einfach nur ausruhten wie er!

Ausruhen. Das Blau der Fenster färbte die Bodenfliesen blau. Die Jenseitsfarbe. Anders als das dumpfe, stumpfe Blau der Buchdeckel.

Ausruhen. Die Haken an den Bänken für die Handtaschen der Frauen. Wahrscheinlich kamen fast nur Frauen zum Gottesdienst. Frauen, die an Engel oder sogar an eine Vorsehung glaubten.

Ja, vorsehen musste man sich. Draußen, nicht hier.

Gottesdienst, Gotteslob. Eine schöne Sache. Wann war er zuletzt gelobt worden? In der Schule vielleicht – aber das lag unendlich weit hinter ihm. So konnte auch das Leben unendlich sein in seinen unerfüllten Bedürfnissen, in seinem schrankenlosen Begehren.

Hier zerfloss alles, stockte alles in einer Atmosphäre der Erwartung, die sich ihm mitteilte.

Er bemerkte, dass die Lesebändchen in den blauen Bänden rot waren und gelb und er vermutete, dass es noch andere, blassere Farben dort gab. Auch auf dem Buchrücken war ein rötliches Symbol abgebildet, es sah ein wenig aus wie das chinesische Schriftzeichen für Mensch.

Aber er mochte keines der Bücher in die Hand nehmen. Er wollte nicht an seiner Kindheit anknüpfen. als er noch nicht Mensch gewesen war in des Wortes tieferer Bedeutung.

Damals hatte er gewusst, was in diesen Büchern stand, auch wenn es andere Bücher waren, die anders aussahen, kleinere Bücher, die man selber mitzubringen hatte.

Er wollte nicht nachdenken, wie lange genau das her war.

Ausruhen. Das wollte er.


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