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einhorn insel der seligen

Die Zeichenhaftigkeit des Seins


(Vortrag, anlässlich einer ersten und sicher vorerst letzten Präsentation meiner Bilder)



Also. Eine leere Tonne.

Eine leere Flasche.

Ein leeres Hirn wie am Neujahrsmorgen – aber kein Feuerwerksmüll zu sehen.

Eine Kippe.

Ein roter Dübel.

Die Schatten eines Paars (Gestatten: Meine Wenigkeit; Fotograf mit Begleiterin).


Alles bekannt und äußerst gewöhnlich. Bis auf den Dübel.

Ein Dübel, der nie in einer Wand steckte.

Welche anderen Aufgaben kann ein Dübel wahrnehmen?

Er kann einen nur froh machen, wenn er sich einpasst in die Vertiefung in der Wand, sich spreizt und hält, was an ihm hängen soll.

Er ist kein Seelentröster, kein Liebeströster. Auch als Spielzeug (für Kleinkinder) ist er zwar von der Form her interessant, aber Achtung: es besteht die Gefahr, ihn zu verschlucken!

Als Waffe taugt er nicht. Der Schraubenzieher, der die Schraube in ihn eindreht, könnte einen Gegner verletzen, sogar schwer. Doch aus dieser Beziehung bastelt sich keine Metapher. Die Schraube legt sich dazwischen.

Selbst wenn man einen Dübel als Dekor verwenden wollte – eine Straße dekoriert man nicht!


Immerhin: Durch seine Pfeilgestalt könnte er auf etwas hinweisen …

Auf etwas, was der umgekippte Leib der Tonne verbirgt.

Spuren. Spuren einer Bluttat?

Die frappierende Sauberkeit der Tonne, die genau in den Mittelpunkt des Deckelquadrats platzierte, nicht zersplitterte Flasche könnten Ablenkung, Irreführung sein.

Vermutete der Dübel-Informant und Augenzeuge den Täter noch in unmittelbarer Nähe?

Aber einen roten Dübel als Signal auf die Straße zu legen wäre genauso auffällig wie die Tonne einfach beiseite zu rücken. Und tausendmal weniger effektiv.

Und was für ein Verbrechen soll das gewesen sein?

(Es gibt Verbrechen, die haben etwas Spielerisches, Kindliches; auch Voyeure oder Denunzianten können so gestrickt sein; aber reden wir von etwas anderem)


Warum sollte aber ein Dübel überhaupt rot sein? Vergraben oder begraben in seinem Loch, wie es seine Bestimmung ist, wird man seine Farbe nie mehr sehen.

Hier dagegen fällt sie auf. Grüne Tonne, grüne Flaschen, graues Pflaster.

(Ich muss allerdings eingestehen, dass ich selbst den Dübel im Moment der Aufnahme überhaupt nicht bemerkt habe)


Diese Tonne … umgelegt (nicht etwa umgeworfen) in einem ziemlich exakten Winkel von 45 Grad zum Pflasterverlauf mit einem Rest von Zeitung auf dem Grund, mit weißen Spuren, eine Papiertonne wahrscheinlich. Darunter …

Ein Loch, eine Grube im Pflaster? Ein Schatz, wie man ihn am tiefsten Punkt eines Regenbogens finden kann? Wäre das nicht längst bemerkt worden von einem beflissenen Hausmeister, wenn nicht vom Leerteam?

In die jetzige Lage gebracht hat die Tonne eine dritte Person (oder Personengruppe – worauf die Flasche eventuell hindeutet).

Wie wäre es mit einem nur gelockerten Pflasterstein, unter dem etwas sehr Flaches verborgen läge? Ein Brief, eine Botschaft …


(Mein lieber Freund und Kupferstecher von einem Fotografen! Können wir jetzt nicht endlich von diesen absurden, ja kranken Gedanken – entschuldigen Sie den ungeplanten Reim – absehen? Sie haben ja das zufällig und nichts als zufällig da liegende Dübelchen erst zuhause – wie Sie zugegeben haben – bemerkt und wollen uns jetzt solche Hirngespinste aufbürden!

Ein bescheidener Gegenvorschlag: Ein Kunstwerk, eine Installation! Etwa: Der aufgesperrte Rachen einer hungrigen Tonne weigert sich, die Flasche – trotz gemeinsamer Grünheit – zu verschlucken, weil der sonst so geduldige Behälter vom Recycling-Gedanken überzeugt ist)

(Ich schüttelte traurig den Kopf, als man mich solchermaßen an den verkopften Charakter zeitgenössischer Kunst erinnerte. Dann riss ich den Apparat hoch, fotografierte, von einem noch unbestimmten Rachegedanken getrieben, wild in die Menge hinein und floh, begünstig davon, dass ich an der Projektionswand stand, während die anderen saßen)

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