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einhorn insel der seligen

Heiliger Ernst


Mancher Heilige wird weggesperrt, er gefährde die Jugend, heißt es schlicht. Manch anderer zieht sich freiwillig zurück und macht vor, wie man meditiert.

Das himmlische Vergnügen in Gott ist schwer zu fassen und noch schwerer zu erreichen.

Musst du aus Stein sein, um es zu ertragen, beguckt und bespuckt zu werden? Da du so fatal nah am Gitter hockst, kann ein Arm durchgreifen und dich mit Farbe beschmieren oder besudeln mit unreinem Zeug.

Heilige sind nicht beliebt. Schon als Schüler liegt uns der Lehrkörper mit ihnen in den Ohren. Ihre Porträts hängen an den Wänden. Ihre Schriften werden unerbittlich immer neu aufgelegt, Zitate in Hefte diktiert. Ihre Vollkommenheit ist ein ständiger Vorwurf an die Schlamper und Verschlepper, die Herummurkser und Zauderer.

Da ist es gut, die Augen zu schließen. Der Weise hält still. Jede Bewegung vergeudet Kraft und kann von draußen falsch verstanden werden. Tu so, als wärest du aus Stein.

Aber niemand hat dich bespuckt oder besudelt. Du bist lediglich fotografiert worden. Und das Foto nährt den Verdacht, dass du keineswegs eingesperrt bist, sondern nur hinter einer großen Tür sitzt, die weit aufschwingt, wenn der Schlüssel im Schloss sich gedreht hat.

Der Verdacht scheint absurd. Ein nackter Türsteher, der sich die Brust krault, grau wie Granit, mit Käppi oder Käppifrisur, der die Augen geschlossen hält – wer würde den beschäftigen?

Buddha! ruft eine weibliche Stimme aus der Gruppe der Gaffer.

Immerhin, es ist Publikum da, der Heilige hat gemäßigtes Aufsehen erregt. Dass er geduzt wurde, hat ihn erfreut.

Ein Buddha würde lächeln oder ein Lächeln wenigstens andeuten: verwahrt sich eine zweite Stimme - ein Asienversteher?

Die Figur schweigt. Es ist nicht ihre Sache, die da verhandelt wird. Ist sie sich nicht selbst genug? Sie macht sich auch keine Gedanken über draußen, über die roten Nasen, die tränenden Augen oder die Fingernägel, die an allen möglichen Körperteilen herumkratzen.

Sie könnte sagen: Betrachte die Pflanze. Sie rankt, wie sie will, sie treibt Früchte aus, wenn sie kann, sie verdorrt, wenn sie muss.

Der Fotograf könnte ergänzen: Hätte die Pflanze nicht an den Gitterstäben empor und so nonchalant über sie hinweg gerankt, gäbe es das Bild nicht.

Plötzlich nicken alle. Die Pflanze schaukelt sich im Wind. Gott hat keine Einwände. Er hat keinen Sturm geschickt.

Der heilige Mann bleibt weiter auf dem Posten.

Jahre später begegnen wir uns wieder: Die Ablenkung durch rankendes Grün ist beseitigt, die Pflanzen sind verstümmelt. Der Zorn darüber schärft den Blick.

Buddha zeigt seine weibliche Seite in aller Deutlichkeit

Aus den vergossenen Tränen des universellen Mitgefühls wurde der als Tara (d.h. Stern, Pupille, Retterin, Nothelferin, Hinüberbringerin) bekannte weibliche Bodhisattva geboren.

Warum ist diese Göttin hinter Gittern?

Du bist hinter Gittern!

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