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einhorn insel der seligen

Mechanische Träumereien


Die Vier ist die zweifache Zwei und die Potenz der Zwei. Die zweifache Vier und die dritte Potenz der Zwei ist die Acht, die schon die Grenze jedes Kalküls sein kann, denn gekippt bedeutet sie Unendlichkeit.

In acht Ringen schraubt sich die eine zentrale Säule zwischen zwei Plattformen hinauf ins Licht, flankiert von vier geschwungenen dünnen Stützen. Sie balanciert auf einem kleinen Kreis und verdoppelt sich im Spiegel des Sockels wie die beiden flankierenden Säulen und die vier Kugeln, die über die Stützen mit dem Mittelstück verbunden sind.

Diese Maschine aus der Eins, der Zwei, der Vier und der Acht ist die Mutter aller Maschinen. In all ihren Teilen spiegelt sich die Welt, das Verworrene im Exakten.

Vor dem Chaos außerhalb von ihr, vor dem tiefen Blau der Ewigkeit und dem unerbittlichen Schwarz der Hölle schützt sie eine dünne Hülle, die Spuren trägt von Gesichtern und Händen, die sich ihr genähert haben, aber es nicht gewagt haben (oder nicht vermochten), sie zu durchstoßen.

Diese Maschine misst die Zeit.

Die Zeit selbst ist aber nicht eigentlich messbar, sie siedelt sich jenseits unserer Sinne an, ist körperlos, ist niemals in Bewegung, sie gehorcht keinen Einflüssen von Druck oder Temperatur, man kann sie weder sehen noch hören. Wir können nicht wissen, wie lange ein Augenblick dauert.

Die Zeit ist die vierte Dimension.

Aha. Geschenkt.

Sie hat einen Anfang, sagen die Physiker, um unsern geringeren Verstand zu verhöhnen: Da war etwas unendlich Dichtes, dann eine Explosion, ein Knall, davor war nichts, danach entstand alles. Alles aus Nichts.

(Das sagen sie, weil wir uns das Nichts nicht vorstellen können, nicht wahr? Können wir uns dafür Unendlichkeit vorstellen?)

Sollen wir uns damit trösten, dass die Physiker sich in den Haaren liegen in der Frage, ob die Zeit ein Ende habe oder nicht, ob sie gar zyklisch wiederkehre?

Wir trösten uns anders: mit dem Bau einer Maschine, die die nicht messbare Zeit misst. Wir zerlegen die Zeit in frei erfundene Einheiten, machen sie fest an rinnendem Sand oder tropfendem Wasser, an Himmelszyklen oder am Zerfall der Atome und meinen, dass sie jetzt uns gehört. Als Richtschnur.

Doch wenn wir uns nach ihr richten, wer gehört dann wem?

Uns gehört auf jeden Fall diese schimmernde Maschine, der Pendelschwung der Kugeln, die Genialität der Konzeption, die Raffinesse der Konstruktion, die Unnahbarkeit der Spiegelungen.

Immerhin.

Sie leistet herkulische Arbeit. Oder Sisyphus-Arbeit. Wie wir, ihre Erfinder.

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