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einhorn insel der seligen

Läufer von der Traurigen Gestalt


Er wird nicht zum Stehen kommen. Das Rad dreht sich stetig weiter. Einfach unter ihm weg.

Geduldig schaut er auf das kleine Stück Wegs, das vor seinen Füßen gleichmäßig bergauf führt.

Wege sind dazu da, dass man auf ihnen geht. Es kostet große Anstrengungen, einen Weg anzulegen mitten im universellen Chaos. Man muss die Arbeit der Wegmacher loben und sie ehren, indem man den Weg benutzt.

Wer geht, hat ein Ziel.

Warten hätte er nicht wollen.

(Worauf hätte er gewartet? Oder auf wen? Hat er es vergessen?)

Gehen genügt ihm nicht. Gehen ist zu langsam. Er ist wie von selbst in Trab gefallen. Ein Rhythmus ist entstanden, dazu ein regelmäßiges Geräusch: Füße und Atem.

Bergauf zu laufen reizt ihn. Es ist sportlich.

Es kann nicht mehr weit sein bis zur Höhe.

Die Schuhe sind schwer geworden, sie erzeugen beim Auftreffen auf den Boden ein hässliches Geräusch. Auch der Atem wandelt sich zu einem leisen Pfeifton.

Es hört ihn niemand. Zuschauer sind nicht gekommen.

Es kann nun wirklich nicht mehr lange bergauf gehen. Ganz dort oben ist die Luft dünn, und man wird verstrahlt. Aber Stehenbleiben – er hat es versucht, mehrmals – scheint noch gefährlicher: etwas zieht dir den Boden unter den Füßen weg (man kennt das von der Strömung im Meer: du plantschst im seichten Wasser – plötzlich reißt eine starke Strömung an deinen Knöcheln). Wenn du dich nicht abfangen kannst, knallst du mit dem Hinterkopf aufs Pflaster, kein Helm würde helfen. Schädelbasisbruch.

Die Schenkel schwächeln.

Die Waden zittern.

Allmählich würde das stimmen, was ihn so geärgert hatte: die „traurige“ Gestalt. Wer hatte das aufgebracht? Egal, gelacht haben sie alle, diese feinen Freunde. Danach haben sie ihn immer so genannt.

Er hat sie von sich fern gehalten, seither. Er schuldet ihnen nichts.

Spindeldürr ist er, die Gliedmaßen überlang, Nase, Kinn – er würde sagen: markant (aber niemand hatte ihn je gefragt), - dazu die allseits spiegelnde Glatze, schwacher Bartwuchs – das mochte nicht jedem gefallen, vor allem nicht jeder Dame, aber nichts daran war „traurig“! Nur, jetzt …

Der Körper macht weiter. Wie eine Maschine. Er kann nicht aufhören, er ist Teil seiner Energie geworden.

Wenn er endlich stürzt, wird er das Bewusstsein schon verloren haben.

Es war sein Weg, und es war gut, dass er ihn beschritt, sagen die ehemaligen Freunde.

Jeder nach seiner Fasson! steht im Nachruf.


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