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einhorn insel der seligen

Don Quijote und die Messer



Es ergab sich, dass Don Quijote sich eines Nachts in einem Wald der Sierra Morena erging.

Der Rocinante war nämlich krank geworden, ja, er litt, und alle Weisheit Sancho Panzas prallte an diesem nie gekannten Siechtum ab. Nichts wollte helfen. Der Gaul konnte sich noch in eine Höhle schleppen, die Don Quijote für diejenige hielt, in der er einst so artig von Dulcinea del Toboso geträumt hatte. Das leise, wehleidige Wiehern Rocinantes begleitete die beiden Reisenden, Ritter und Knappe, bis in ihre Träume, in denen weder Dulcinea noch Sanchos Ehegespons vorkamen, dafür Hexen, Teufel und böse Zauberer, dass es eine Art hatte. Don Quijote hatte kein Auge zugetan, Mitten in stockdunkler Nacht erging er sich in den Wäldern, die jenseits der Höhle begannen.

Als der Tag graute, stand plötzlich, wie aus dem Boden gewachsen, ein zwergenhafter Mensch vor ihm. Auch Don Quijote graute es, er griff sofort zu den Waffen, doch die waren wie die Rüstung in der Höhle zurückgeblieben. Er suchte also mit nichts als Luft in den Händen erst Halt, dann Deckung an einem ausbauchenden Baum. Der kleine Mann konnte angesichts der bohnenstangenartigen Gestalt des Ritters ein kurzes Grinsen nicht unterdrücken, fasste sich aber schnell, lüftete den Hut und grüßte sein Gegenüber, das vorsichtig den Kopf hinter dem Baum hervor reckte, nach allen Regeln der Kunst, mit einer Reverenz und trefflich gesetzten Worten, wie man es diesem huschenden Waldgeist nicht zugetraut hätte. Er sei Theophilus von Hohenheim und auf Brautschau unterwegs im herrlichen Spanien.

Der verblüffte Ritter musste nun seinerseits in gebührender Weise antworten. Als Theophilus vom darniederliegenden Rocinante erfuhr, erklärte er, dass er über gewisse hippophile Kenntnisse verfüge, was Don Quijote begeisterte, und sofort entspann sich ein Gespräch über Koliken und Lahmen, über Ekzeme und Hufschmiede.

Sancho, der die gutgelaunte Stimme seines Herrn aus dem Gespräch herausgehört hatte, unterließ es diesmal, sich zu verstecken, wie er schon öfter beim unerwarteten Auftauchen eines Fremden getan. Rocinantes Wiehern dagegen wurde lauter, beinahe herrisch, und blieb doch zugleich heftig klagend.

Der Fremde schlug die Hände zusammen, als er den Gaul sich auf dem Rücken hin und her werfen sah, und schwieg.

Auch Sancho hatte dank stetiger Bemühungen seines Herrn gelernt, trotz seiner Wampe eine Reverenz hinzukriegen. In Demut nannte seinen Namen, Stand und Beruf.

So seid ihr so furchtlos wie euer Herr, sagte der Fremde. Alle Leute aus den Dörfern dieses Landes, denen ich zu begegnen das Glück hatte, habe ich als tapfere Männer kennen gelernt. Keiner machte den Eindruck, unter dem Pantoffel zu stehen.

Sancho seufzte, dachte an seinen Traum und nickte ergeben.

Don Quijote wies nun auf Rocinante, der, wie zu sehen war, auch dem tapferen Geschlecht angehörte, und blickte Theophilus fragend an.

Dieser fiel sogleich auf die Knie und flüsterte mit dem Pferd, nahm bald dessen rechtes, bald das linke Ohr in Beschlag, strich über den Widerrist, strich über die Kruppe.

Ritter und Knappe verstanden nicht die Bohne, sie glaubten, es sei Latein, hinter dem die Clerici sich gerne versteckten, wenn sie wieder einmal ahnungslose Laien zu übervorteilen gedachten.

Er benötigt einen Reiz, einen starken, sagte der Fremde, sich aufrichtend, durch Wald und Feld zu traben, das langweilt ihn sehr. Er droht gemütskrank zu werden.

Doppeltes Kopfschütteln statt einer Antwort. Als ob das Pferd mit ihnen beiden nichts erleben würde! Ganz abgesehen von den gelehrten Gesprächen, die sie führten! Don Quijote verstieg sich sogar zu einem verächtlichen Lachen, während Sancho offenen Mundes dastand.

Theophilus schien ihre Gedanken zu lesen: Von den Gesprächen bekommt Euer Ross nichts mit, weil Ihr nicht flüstert. Und während Eurer Heldentaten steht es meist schon im Stall einer Schenke mit unsäglich langweiligen Kollegen.

Ich vermag indessen ihm und Euch etwas anzubieten. Ich bin Messerwerfer, im Nebenberuf. Und er riss mit dramatischer Geste ein Wurfmesser aus der Rocktasche. Wer wagt es?

Don Quijote trat erschrocken einen Schritt zurück und rief Sancho! Der aber hatte sich blitzschnell unsichtbar gemacht und reagierte nicht auf weitere Sancho!-Rufe. Der Ritter bekam es mit der Angst zu tun und befahl unter Androhung einer mehrtägigen Diät seinem Knappen sofort zu erscheinen.

Und Sancho erschien in der Tat, zitternd, den berühmten Helm des Mambrin, ein Barbierbecken, auf dem Kopf und des Ritters Tartsche, eine halbe Stalltüre, rumpelnd hinter sich herziehend.

Wollt Ihr nicht selbst, Ritter? fragte Theophilus, doch Besagter hatte alle Mühe, seine traurige Gestalt einigermaßen zusammenzuhalten.

Sancho lehnte schon, zähneknirschend gehorsam, an einer Höhlenwand. Er hatte den Helm tief ins Gesicht gezogen und schirmte den Körper mit Don Quijotes Tartsche notdürftig ab. Füße und Beine bis zu den Knien und die Hände blieben zwangsweise frei, gefährdet waren auch Kinn, Hals und die obere Brust, zumal die Tartsche in des Knappen unruhigen Händen sich abwechselnd nach oben oder unten verschob.

Schon flog das erste Messer. Es streifte polternd den Tartschenrand, schlug aufprallend auf den Fels der Wand Funken und fiel zu Boden. Rocinante furzte und erhob sich mit einem Ruck. Zu allen folgenden fünf Messerwürfen wieherte er anfeuernd und stampfte mit den Hufen. Sogar der in einem Winkel der Höhle noch schlummernde Esel erwachte und setzte sein I-A dazu, was insgesamt ein grandioses Echo ergab.

Don Quijote blieb still, während Sancho bei jedem Wurf aufstöhnte.

Sehen Sie, Euer Gnaden, sehen Sie, bemerkte der Fremde, flüsterte wieder in Rocinantes Ohren und klopfte dem Gaul auf die Flanken. Sehen Sie, er kann es kaum erwarten, weiterzuziehen.

Lupfte wieder den Hut und empfahl sich.

Wohin des Wegs, guter Freund ? rief Don Quijote ihm nach.

Nach ElToboso, um die herrliche Dulcinea zu werben! versetzte der von Hohenheim und war schon zwischen den Stämmen des Waldes verschwunden.


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