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einhorn insel der seligen

Ölberg


Sie halten ihre Nasen in den Wind. Sie schnüffeln geräuschvoll, schmatzen dazu. Immer wieder zwingt sie ein Gestank, die Luft anzuhalten. Dabei müssen sie lachen. Das verdirbt dem Kapo die Laune. Er bemerkt jetzt erst, dass nur der eine von beiden eine Hellebarde dabei hat. Von Handschellen keine Spur. Auf das Personal ist immer weniger Verlass.

Der Kapo hat von allen die feinste Spürnase. Heute wird er sie erwischen, diese verdammten Unruhestifter. Oder wenigstens einen von ihnen! Seine Leute sollen sich bloß nicht lustig machen über ihn! Er ist erst vor kurzem befördert worden. Auf seinen Schultern fehlt der zweite Stern. Zur Zeit ist bei den Kasernen-Näherinnen viel los.

Es ist die Zeit der Schwätzer, der Prediger, der selbsternannten Messiasse. An jeder Straßenecke steht einer und quatscht etwas vom Weltuntergang daher. Die Römer halten das Land besetzt, und die Leute sind verunsichert. Manche haben es glatt abgelehnt, zu Sonderarbeitseinsätzen anzutreten. Eine steife Brise weht durch die Amtsstuben. Die geistliche Obrigkeit hat sich ihre Gedanken gemacht und möchte endlich durchgreifen.

Vorsichtig sind sie um die bekannte Ecke gebogen, wo sich bis vor der letzten Razzia die Hippies getroffen haben.

Da stehen sie vor ihnen: Ölgötzen; erstarrt; Blicke ins Nichts.

Die Verdächtigen liegen da und schlafen, ohne zu schnarchen. Einer bewaffnet. Sie machen dieses kreuzbrave Kindergesicht. Sogar im Schlaf. Heuchler!

Der Kapo lässt sich nicht von Äußerlichkeiten blenden. Er brüllt sie an.

Auf!

Die drei sind sofort wach. An solche Töne ist man gewöhnt im Land. Sie haben sich aufgerappelt, stehen einige Augenblicke schwankend, traumverloren.

Schwert ablegen!

Namen?

Der Jüngste reagiert am schnellsten: Hannes. Und das sind Schimon und Jaköble. Alle drei vom See. Fischer.

Warum hier?

Verwandte besucht. In der Stadt.

Hier ist nicht die Stadt, Mann!

Aber schöne Aussicht, Herr Kapo. Waren schon auf dem Heimweg. Haben bisschen über den Durst getrunken. Eingepennt. Passiert halt. Die Nächte sind lau.

Schimon und Jaköble haben dazu eifrig genickt und vorsichtshalber geschwiegen. Der Junge wird sie schon herausreden.

Tatsächlich hängt da so ein Geruch nach zu viel Hirsebier in der Luft. Doch es könnte auch anderswoher gekommen sein. Von seinen Leuten zum Beispiel. Der Wind hat gedreht.

Der Kapo dreht sich kurz um. Seine Helden gähnen. Die Hellebarde liegt achtlos zwischen den Steinen. Sie war dem Mann zu schwer. Der Kapo kocht. Aber jetzt, wo er diese drei zweifelhaften Gestalten verhört, lässt er sich nichts anmerken. Er begnügt sich mit einem Blick, der alles sagt.

Kontakt zum Predigervolk?

Alle drei schütteln synchron den Kopf. Wir sind … Schimon hat zu einer Erklärung angesetzt, Hannes fährt ihm sofort dazwischen: Man entgeht ihnen nur schwer! An jeder Ecke steht doch einer.

Bei Schimon muss man aufpassen. Er ist treuherzig. Er sagt leicht Dinge, die einen in den Knast bringen.

Seid ihr mit dem, der sich Menschensohn nennt, herumgezogen. Der, der immer wieder an eurem See gesehen worden ist!

Es gibt einen, der nennt sich Davidssohn, sagt Hannes, um abzulenken. Er schiebt nach: Und einen haben wir gehört, der sich Sadduk nennt. Fanatiker allesamt. Lange kann denen keiner zuhören. Er weiß, dass die Obrigkeit besonders die Zeloten fürchtet, das sind die Politischen: Eleazer und Menachem, die Nair-Leute, dazu den Sadduk. Aber auch ihr verehrter Menschensohn steht im Fokus der Geheimdienste. Das wissen sie.

Es klirrt. Die drei zucken zusammen.

Der Häscher hat seine Hellebarde aufzunehmen versucht, dabei ist sie ihm entglitten und direkt mit der Schneide auf die Kante eines Steins geprallt. Der Kapo muss reagieren.

Verdammter Dummkopf! Das gibt eine Scharte. Nichtsnutz! Marsch zurück in die Kaserne. Dort sprechen wir uns. Du auch! Nehmt das Schwert mit. Vorläufig konfisziert!

Die beiden Häscher verschwinden im Laufschritt.

Davidssohn also, Sadduk: wo?

Hannes gibt eine genaue Beschreibung der Örtlichkeit. Sie sind mit Jesus mehrmals dort vorbeigekommen. Sadduk und der Davidssohn hatten beide Jesus übel angegiftet. Die Konkurrenz. Jesus hatte geschwiegen.

Pause. Der Kapo muss so tun, als würde er noch immer, auch ohne seine Leute, eine Verhaftung in Erwägung ziehen. Das ist er seiner Autorität schuldig. Doch dann:

Ab!

Sie beugen den Kopf und gehen zügig von dannen. Laufen wäre verdächtig.


Diesmal verschont. Das Schwert werden sie nie wiederkriegen.


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