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einhorn insel der seligen

Vorwärtsverteidigung


Zeig euch Blüten statt Geschlecht. Mag nicht entscheiden, ob‘s besser, ob‘s schlechter auf euch wirkt. Genitalien sind bissel unästhetisch, sagen manche. Verhüllt dagegen seien sie unwiderstehlich. Glaub das nicht. Betrifft mich auch nicht. Bin gemacht, so wie ich bin, vom Steinmetz. Schlimmstenfalls vom Lehrbub.

Hab den hehren Auftrag, dies Gemeindehaus zu schützen. Daher der Löw auf meinen Schultern. Der springt jederzeit, brauch nur schnipsen mit den Fingern.

Die Finger sind aus Stein. War ein Scherz.

Beide schauen wir himmelwärts, denn es kommt Regen, vielleicht Schnee. Oder Sturm. Da werden sogar wir Steine weich (wir sind ohnehin billiges Material), bröckeln irgendwann ab, werden unansehnlich, hässlich. Dann kommt der Steinmetz zurück, wir werden abgemeißelt und in der Werkstatt neu gestylt. Aber nur, wenn Geld da ist in der Gemeindekasse. Währenddessen (und nur dann) merken die Bürger, dass wir unbedingt da hingehören, wo wir sind. Ohne uns ist das Gemeindehaus grauenhaft und nur grau.

Aber unser Blick bedeutet auch: Abwendung von den lächerlichen Bild, das ihr Erdensöhne bietet.

Die Leute glotzen mich normalerweise nicht groß an (trotz der Blütenblätter – oder eben deswegen?), die meisten schauen an mir vorbei auf den Löwen. Der hat wirklich eine grimmige Visage. Er wirkt viel konzentrierter als ich, ich hock da mit offenem Mund, er beißt sich auf die Zunge. Mich hat wohl wirklich ein Lehrling zurechtgeklopft.

Die Leute haben keine Ahnung, welch gewichtige Aufgabe wir haben. Sie würden sie uns auch gar nicht zutrauen. Da nützen neun Jahre Schulpflicht einen Schmarrn.

Aber sie sollten sich einmal vorstellen, was im Ernstfall geschehen wird:

Erst brüllt der Löwe und ich schreie ohrenbetäubend. Unter dem Löwenkinn und in meinem Mundloch sind heftige Lautsprecher eingebaut. Da fällt jeder Klettermaxe von der Mauer und ist womöglich tot. Und die Opposition, die demonstriert und unseren Oberbürgermeister stürzen will, ist baff und bleibt ruckartig stehen. Das gibt dann ein oppositionelles Gewusel und Gepurzel . Man tritt sich auf die Zehen und jault auf, beschimpft sich, es geht zur Sache. Und das Ding, das unser Oberbürgermeister vielleicht gedreht hat, ist schlagartig vom Tisch.

Dann drückt eine Pumpe Brauchwasser durch dieselbe Mundöffnung, es pladdert auf die Störenfriede nieder. Mein Lautsprecher ist natürlich verstummt, der des Löwen feuert aber weiter auf die Trommelfelle. Früher gab es die Pechnasen, derselbe Trick, nur aus Kübeln, an denen man sich, auf Leitern hochkletternd, die Finger versengte und mit der Kraft menschlicher Lungen. Wir mit unserem Humanismus, wir wollen nicht, dass die Leute ankokeln, das schädigt die öffentlichen Krankenkassen. Wir wollen ihnen nur eine Lehre erteilen. Keine Angst, das fragliche Abwasser ist lediglich gebrauchtes Waschwasser, seifig ist es halt und kleine Härchen und Fuseln schwimmen drin herum. Aber gesundheitlich unbedenklich. Das tut nicht weh, aber es tut Wirkung, wenn es das Kopfhaar tränkt und in Kragen und Ausschnitt verrieselt. Es ist die demokratische Variante des berühmten Schwedentrunks aus dem Dreißigjährigen Krieg.

Wir sind also nicht bloß Fratzen oder Vogelscheuchen. Im Verborgenen steckt eine überraschende Effizienz.

Besser nicht testen, Leute!

Im Übrigen geht unsere Gemeinde demnächst pleite. Dann wird unsereins verhökert.

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