top of page
Aktueller Eintrag
Frühere Einträge
Archiv
Schlagwörter

einhorn insel der seligen

Ein Massenmörder


Sie glauben, so ein Mensch mit Sprenggürtel findet Spaß am Töten? Oder ist Ihnen das Wort Freude lieber? Wie Freude am Fahren? Nein. Für ihn ist es ehrliche Arbeit, Henkersarbeit. Eine, die nicht jeder ausführen kann..

Zuallererst muss er heraus aus dem Sumpf öffentlich gepredigter Moralvorstellungen, die ihm die Gesellschaft aufzwingen will. Welcher Jugendliche hätte nicht gerne einmal aus gegebenem Anlass eine Lehrperson umgebracht? Er hat es damals nicht gemacht, er hatte Angst, dass ihn alle aus seiner Community oder doch wenigstens viele verachten würden, sogar manche seiner Kumpels. Davor ist er zurückgeschreckt, vor der Tat, nicht vor dem Gedanken. Dann probierte er trotz allem zu arbeiten, braver Junge, aber den Zaster verdienten die anderen. Oder hatten ihn schon und gaben ihn nicht mehr her. Wozu also weitermachen? Für ihn war hier kein Platz vorgesehen. Dealer, ja, das hätte er werden können, aber nur ein kleiner Fisch.

Er hätte sich nehmen können, was sie ihm nicht gaben. Aber das gewöhnliche Verbrechen, das war nichts für ihn. Da war noch ein Rest Selbstbewusstsein und Stolz, sein letzter Halt. Das konnte man loseisen, hintrimmen und flott machen, wenn man ein guter Einbläser war.

Es gibt diese Spezialisten. Sie sind alles andere als Fanatiker. Sie sind nicht bloß schlau, sie sind klug. Sie wägen ihre Worte. Sie bestechen durch Beispiele. Sie schaffen es, dich umzubiegen.

Und der zukünftige Mörder ist in die Falle gegangen.

Wieso Falle?

Er ist angekommen. Nicht im Schlaraffenland, gibt es das denn? Bei sich selber ist er angekommen. Er hat eine Aufgabe, was sage ich, eine Mission, die die ganze Welt umspannt. Er rettet die Welt, indem er den rechten Weg beschreitet und die Feinde dieses Wegs – egal ob sie diesen leugnen und bekämpfen oder ihm gleichgültig gegenüberstehen oder von ihm gar nichts wissen – aus der Welt hinausbefördert. Je mehr, desto besser. Er geht mit, er begleitet sie, aber jenseits des Todes trennen sich ihre Wege radikal. Er surft ins Paradies, sie stürzen ins Heulen und Zähneknirschen.

Dieses Paradies ist zwar auch eine Art von Schlaraffenland – die von der Bombe zerfetzten Bestandteile seiner Person müssen sich wieder zusammenfinden, um es standesgemäß, mördermäßig, genießen zu können – aber das wird ihn nicht beschäftigen. Er denkt eher daran, dass er etwas Außergewöhnliches vollbracht haben und etwas Außerordentliches geworden sein wird durch seine Tat. Ob dort genau nachgerechnet wird, wie viele er umgebracht hat, Männer, Frauen und Kinder nach einem getrennten Schlüssel – von derlei materialistischen Gedanken ist er weit entfernt. Noch bevor er die Bombe zündet, ist er ein Held geworden, lebt die kurze Zeit bis zur Explosion mit einem Nimbus, den nur er spürt, den er genießt. Niemand anderer sieht ihn, niemand anderer darf ihn sehen.

So geht er über den Jordan.


bottom of page