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einhorn insel der seligen

Sphären


In der Mitte der Unendlichkeit hat sich ein gleichförmiger, leerer Raum, eine hohle Rundung gebildet. Das ist die Welt. Langsam hat sie sich ihr selbst erschlossen und angefüllt mit Lebendem und Totem.

So geht die Lehre.

Wir bewegen uns in diesem Hohlraum oder werden bewegt, er ist nur von innen für uns wahrnehmbar, und dies nur in einem winzigen Bruchstück, je nachdem an welchem Ort wir uns gerade befinden. Dieser Ort ist ein zufälliger, vergänglicher, rasch wieder verschwindender Teil unserer Existenz. Wir schwanken in unseren Gedanken: Ist es ein Gefängnis, worin wir leben, oder ein sicherer Schutzwall gegen alle uns unbekannten Gefahren, die unsere Abwehrkräfte übersteigen?

Wir hängen am Leben. Wir leugnen den Zufall. Wir erforschen, was war, und spekulieren über die Entstehung dieser Welt. Wir streiten uns über den Fortgang der Existenz nach dem Tod. Wir erfinden Würde und Werte und Wunderwesen, Kapriolen des Geistes - Unwesentlichkeiten.

Die Grenze zum Äußeren, zum Unbekannten, ist eine in sich gekrümmte Fläche, deren Krümmungsgrad wir nicht ermessen. Weder unsere Hände noch unsere Instrumente reichen bis dorthin. Unser fester Wille ist es, uns ihr so weit wie möglich anzunähern, denn es scheint nicht unmöglich, dass sie an manchen Stellen durchlässig ist. Die Wissenschaft, die so unendlich klüger ist als wir, glaubt daran. Die Wissenschaft verspricht uns Erlösung. Weil sie gläubig ist, glauben auch wir ihr.

Außerhalb der Sphäre befinden wir uns manchmal im Traum - oder wir meinen wenigstens ein derartiges Bild zu träumen: das Bild einer Kugel, die sich bewegen und bewegt werden kann, die rollt oder geschoben wird, die ins Bodenlose fällt oder aufsteigt wie ein Luftballon … in einer Welt, die wir uns notgedrungen wie die inwendige, die unsere, vorstellen. Sie kann uns dann plötzlich banal vorkommen wie all das Eigene, das wir schon tausendmal gesehen zu haben glauben, was aber weder unser eigen ist noch ein sicherer Besitz unserer Erinnerung. Gleichzeitig steigern wir uns im Glück der Illusion weiter in diese hinein: wir selbst legen Hand an diese Kugel, wir nehmen alle Kraft zusammen, doch sie rückt nicht vom Platz; wir beklopfen sie, schlagen schließlich mit bloßen Händen auf sie. Sie ist hart wie Stein. Beim Versuch, auf sie zu klettern, gleiten wir immer wieder ab. Es gelingt uns immerhin, eine Spur auf ihrer Oberfläche zu hinterlassen, eine Spur wie die Milchstraße am Himmel, wie die Bahn eines Kometen.

Eine Spur, die im nächsten Traum verschwunden sein wird.

Wir ersinnen selbst Kugeln, Spielzeuge des Gehirns, das mit ihnen jongliert und sie zuletzt kraftlos fallen lässt.

So leben wir dahin.


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