top of page
Aktueller Eintrag
Frühere Einträge
Archiv
Schlagwörter

einhorn insel der seligen

Mitten unter uns


Ich habe mich im dichten Wald mehr oder weniger verlaufen und bin herausgetreten auf eine winzige Lichtung.

Vor diesem Gebilde mache ich staunend Halt. Es ist allseits geschlossen - bis auf die Schlitze. Da steht es im Weglosen, wie vom Himmel gefallen. Massives Metall. Es überragt mich um anderthalb Köpfe.

Überdeckt es, bewacht es einen Schacht? Einen Eingang zur Unterwelt hätte ich mir heroischer vorgestellt, großartiger, ein spaltenenges Tor einer Höhle auf dem Grund einer Schlucht, flankiert von einzelnen, hoch aufragenden Bäumen, Zypressen, Akazien, Sykomoren, stummen Wächtern!

Ich befinde mich aber in einem sehr gewöhnlichen Wald, nicht weit vom Scheitel eines Höhenzugs entfernt.

Dieser Bügel über der Bedachung – er ist wie ein Griff, den nur ein Riese oder ein Kran bedienen könnten. Ein Riese käme durch den dichten Wald, er rupfte Baum nach Baum aus. Für den Kran müsste zuerst eine Schneise geschlagen, dann eine Piste in den Boden gestampft werden.

Ich versuche an dem Ding zu rütteln, es bewegt sich nicht. Eine ganze Fußballmannschaft könnte es wohl kippen. Wenn es nicht im Boden verankert ist. Allseitig wuchert wildes Gras.

Ich klopfe mit einem Stück Totholz daran herum. Klingt es hohl? Es klingt seltsam.

Nehmen wir einmal an: ein Wesen befände sich im Innern - oder eine Substanz. Ich könnte passende Äste abbrechen und sie durch die kleinen Öffnungen einführen, mit ihnen vielleicht sogar von innen an die gegenüberliegende Wand stoßen. Aber was bewiese das schon? Dieses Ding kann gefüllt sein mit einem elastischen Fluidum, das meinem groben Tasten spielend ausweicht.

Umgekehrt könnten diese Öffnungen quasi Schießscharten darstellen, durchlässig für unbekannte Waffen.

Oder für unsichtbare Strahlen! Ich werfe das Totholz weg und mache rasch einen Schritt zurück, springe dann zur Seite, weg von der Schusslinie.

Lächerlich. Wenn die Strahlen ihren Zielpunkt einmal erfasst haben, folgen sie ihm auch im Zickzack.

Ich betaste mich und finde das genauso lächerlich.

Da steht es und hält still. Gibt keinen Laut von sich.

Es rostet. Der Rost beruhigt mich. Wie schnell rostet Metall? Ich streiche vorsichtig mit der Hand über die raue Haut des Gebildes. Es ist wirklich Rost. Oder dessen perfekte Imitation.

Nein, es ist kein Ding aus einer anderen Welt. Ich brauche die Polizei nicht zu alarmieren.

Ob es morgen noch hier stünde? Es führt kein Pfad hierher. Ich kann froh sein, wenn ich wieder herausfinde aus dem Wald. Wahrscheinlich würde ich die kleine Lichtung nicht ein zweites Mal entdecken.


bottom of page