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einhorn insel der seligen

Was bleibt


Aus dem Dunkel heraus gegriffen, fest umklammert, Mund gestopft, niedergedrückt, geschlagen mit der freien Hand, vergewaltigt, beiseite gestoßen.

Über dieses Gerüst gekrümmt kam sie wieder zu sich.

Die Tasche fort. Kein Spiegel, aber sie brauchte keinen. Betasten genügte. Das Kleid zerrissen und voller Blutflecken, die Schuhe irgendwo.

In diesem Zustand könnte sie noch ziemlich unbemerkt die nahe Wohnung erreichen, um sich ein erträgliches Aussehen zu geben, bevor sie sich aufs Polizeirevier wagte. Der Morgen graute gerade erst.

Es ging nicht. Sie war aufgewacht, sie hatte sich ein Stück hochgezogen. Jetzt war ihr nicht die geringste Kraftanstrengung mehr möglich. Sie musste sich an dem Gerüst festklammern, den Oberkörper weit vorgebeugt, um nicht zu Boden zu sinken.

Gegen ihren Willen begann sie zu stöhnen.

Es war ein junges Gesicht gewesen. Doch es verschwamm im Dunkel der Nacht, in ihrer Schwäche, in ihrem Schmerz. Sie würde es womöglich nicht wiedererkennen.

Und wenn doch? Eine Jugendstrafe, ein paar Jahre höchstens, sicher auf Bewährung.

Er würde sich rächen. Wenn er es nicht sofort selber könnte – er hätte Kumpels, die es für ihn besorgten.

Sie würde die Stadt auf der Stelle verlassen müssen. Doch sie war hier gebunden.

Keine Anzeige, also.

Sie würde in die Baustelle hineinkriechen, vielleicht ein paar von ihren Sachen wiederfinden. Die Arbeiter würden ihr helfen aufzustehen. Würden ihr ein Handy leihen.

Dann ginge das Leben eben weiter.

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