
Harmlos rauschen die Blätter. Oder scheinheilig?
Doch selbst wenn der Wind auffrischt, sieht die Szenerie nicht nach einem Hinterhalt aus.
Eher nach letzter Ruhestätte. Also, probieren wir‘s:
Es war einmal ein Kraft-Fahr-Zeug.
Wer drin saß, hatte lange Zeit ein gutes Gefühl. Man kann nämlich stets bewältigen, was einem in die Quere kommt. Man ist nicht auf alles gefasst, aber man kann auf sich selber bauen.
Dazu brauchst du kein großes Auto. Schnittig musst du fahren, ja, schmissig. Da stichst du im Gewühl der Schnellstraßen leicht einen teuren Schlitten aus.
Aber was ist da auf einen zugekommen aus dem Nichts? Aus dem Nichts kann nichts kommen. Inwendig lief etwas schief. Wahrnehmungsdefizit. Hirnversagen. Lange vor der Rente. Viel kaputt. Alles eigentlich. Ross und Reiter.
Beifahrer? Weitere Kollateralschäden? Ist der Unfallgegner, der Sauhund, auch tot?
Vergessen wir das. Hier geht es nicht um Nutzer und nicht um Fahr-Lässigkeit.
Die Spurensicherung war nie hier. Man hat ein im Fahr-Zeug-Strom ersoffenes Opfer hierher geschleppt, hierher verschleppt.
Der Ort ist ungeschützt. Jeder kann fleddern. Kinder können sich hier Spiele mit vielen Varianten ausdenken.
Sagen wir vorläufig, wir haben es mit einem improvisierten Denkmal zu tun.
Oder mit einem Friedhof, der zur Spielwiese taugt? Und wer wünschte sich nicht einen mächtigen Baum, der über seinem Grab wüchse und es vor dem kalten Winter mit Blättern zudeckte?
Ahorn schützt vor Hexen und Blitz, vor Maulwürfen und Fledermäusen. Kein Wrack braucht solchen Schutz. Kein Blech braucht Schatten.
Jetzt reicht’s mit hausgemachter Philosophie. Pass auf. Wir machen’s mal anders.
Setz dich einfach rein. Vorsicht, überall liegen Splitter von Glas und scharfkantigem Kunststoff. Halte also deinen Hintern ruhig. Fass das Lenkrad an. Es ist nur verbogen. Tu so, als würdest du lenken. Mit Gefühl: das Ding kann jederzeit herausbrechen. Du bist jetzt dieser Hirni, dem ein anderer Hirni ins Gehege kam. Vielleicht war tatsächlich einer der beiden Hirnis unschuldig wie die Kinder, die hier spielen und manchmal mit blutigen Fingern heimkommen. Der Unschuldshirni bist du. Leg pro forma den Sicherheitsgurt über die Schulter, falls kontrolliert wird. Und los geht’s. Die Sohle ist das Gaspedal. Durchtreten! Gib ihm Saures! Die Blätter des braven Baums peitschen dir ins Gesicht. Du kannst schreien und schimpfen, als ob du noch Glas und Blech um dich herum hättest, niemand hört dich. Der Ahorn ist geduldig, er rauscht, das ist seine Art zu lachen, er lacht dich aus. Autsch! Jetzt bist du doch gerutscht auf dem Sitz, wer zieht dir die Splitter heraus? Ist hier vielleicht ein tollwütiger Fuchs vorbeigekommen? Hilfe! Vollbremsung, das Pedal wippt kurz, verdammt, das funktioniert noch, es kreischt und quietscht, aber keine Angst, du hast ja keine Windschutzscheibe mehr und der Gurt hält dich auch nicht, du fliegst in schönem hohen Bogen durch die Ahornzweige, sie verkratzen dir ein bisschen Gesicht und Hände, du knallst mit der Birne auf die aufgeklappte Motorhaube, die sich daraufhin wieder schließt, so dass das Auto wieder fahrtüchtiger aussieht. Keine Angst, du bleibst nicht hängen im Geäst, es knallt ein zweites Mal und du liegst auf deinem Kühler platt wie ein Frosch, kannst froh sein, dass es nicht heiß ist, war kein Motor mehr drunter. Rapple dich auf und schreite schwankend und hinkend, aber stolz nach Hause, geschmückt mit Beulen, kleinen Risswunden und ungezählten blauen Flecken, in der Simulation bist du ein Heros des Straßenverkehrs. Du lebst noch, der andere Hirni ist vermutlich tot – ist ja auch schuld gewesen an dem Schlamassel. Du aber hattest Massel – verdient, allemal.
War das nicht ein schönes Spiel? Schöner als Friedhofsgequassel oder Neues vom Amt für Denkmalspflege.
Nun ja.