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einhorn insel der seligen

Rot und Weiß und Grau


Und es herrschte endlich Friede. Rote Teufel waren über die Gefilde gefegt, die Rote Königin war geblieben. Ihr strahlender Blick durchdrang den grauen Stein, setzte sich fest sogar in den Poren weißer Haut. Grauer Stein trug stumm sein Geschick, Weißhaut indes wollte fahlfarben, fehlfarben bleiben, nuckelte und buckelte, die rote Farbe glitt ab, verwischte sich, doch eine schwache Tönung war nicht zu verhindern. Die Rote Königin sah Weißhauts Verlegenheit und sprach gnädig zu ihr:

Es ist keine Wunde, es ist kein Makel: siehe, selbst der garstige Graustein erträgt mich, blickt mit einem neuen, mit meinem Auge in die Welt, ist nicht mehr nur schwerfällige Beschränktheit. Du aber gehst geschmückt mit meinem Schimmer dem Frühling meiner Roten Zeit entgegen und ich gewähre dir weiße Tüpfelchen, die sonst niemand erzeugen kann, die heller flimmern als deine Weißheit, Weißhaut, es je vermöchte. Vertrau mir, die Roten Teufel kehren niemals wieder, ich habe ihnen ihr Rot genommen und mit ihm ihre magische Macht, ich gebe es in Fürsorge weiter an meine Schutzbefohlenen.

Stein und Gestänge schwiegen still, blickten starr, Weißhaut krümmte sich noch stärker, aber das Rot haftete in den eroberten Territorien.

Rot ist Aufruhr, Rot ist Besitz, ließ sich Graustein plötzlich dumpf und schnarrend vernehmen, es frisst sich in mich hinein, aber ebenso durchdringe ich dich, du gibst mir Widerschein, mir, nicht der fernen Königin, die gar nichts weiß von unseren Verhältnissen, die vielleicht nichts als eine vorwitzige Stimme ist, gibt es sie denn? Ich bin der wichtigste aller Trabanten, bin Jupiter mit dem Roten Fleck; und Jupiter wäre ein Trabant? Der Fleck ist mein Herz. Wer glaubt denn an Teufel und an Königinnen?

Weißhaut erwiderte nichts, dachte, wie lachhaft klein dieses Großmaul war und wie sehr es sich über sich selbst erhob, nur weil ihn der Rote Strahl dunkler versengt hatte als sie, die Kühlturmgleiche, die Kathedralengestalt, mit so viel leerem, aber leichtem und luftigem Raum in sich, während der Stein zu viel Körper besaß und unendlich plump und schwer war, wie er sein jeglicher Schönheit bares, dürres Gestänge als Stütze benötigte, um gerade so hoch zu stehen wie ihr, Weißhauts, Nabel. Und das sollte der wichtigste Trabant sein? Ein Fatzke.

Da begannen die Gestänge zu schaukeln und sich zu wiegen, und Weißhaut erinnerte sich, dass auch sie an einem Drahtgeflecht hing, das schwarz war und niemals die Farbe gewechselt hatte.

Und die Königin, die vielleicht nur eine Stimme war oder die Statthalterin der Roten Teufel, schwieg. Ein Herrscher hat geheime Hilfstruppen, die ihrerseits schweigen und die Untertanen fest im Griff haben. Die Untertanen dürfen quasseln, bis sie einsehen, dass das Quasseln nichts hilft. Was es mit den Roten Teufeln auf sich hat, ist gleichgültig, der Herrscher braucht etwas, vor dem der Untertan Angst hat. Rot ist das eingebrannte Zeichen des Besitzes. Und Besitz ist total und unwiderruflich – nicht so, wie es im Grundgesetz steht.


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